... Sam hasste sich dafür. Ihr eigenes verkorkstes Leben und letztlich auch die Ereignisse unmittelbar vor ihrer Verhaftung und in diesen Mauern, hatten einen anderen Menschen aus ihr gemacht. Äußerlich wirkte sie unversehrt, doch tiefe Narben zogen sich über Sams Seele und verschlimmerten jeden Tag ein wenig mehr ihre Chancen, auf ein normales Leben. Sams ganzes Tun und Handeln drehte sich nur um einen Zweck: Ihren Worten, die sie Jessica zugeflüstert hatte, endlich Taten folgen zu lassen. Es war wie ein innerer Zwang, eine perverse Obsession. Sam hoffte, sich durch das Abschlachten möglichst vieler Kinderschänder Vergebung zu erkaufen. Ihr persönliches Ticket zurück auf die helle Seite des Lebens. Immer häufiger vermutete Sam, dass es ihr Schicksal war, dass Gut und Böse um sie stritten. Beide Seiten nicht sicher, wohin dieses Spiel Sam führen würde. Menschen auf ihrem Weg waren Mittel zum Zweck. Körperlich hatte sie es genossen, mit Brutus zusammen zu sein, ansonsten war er ihr gleichgültig. Ihr Vorhaben, ihn zu töten, hatte Sam nicht gänzlich aufgegeben. Auch er war Mittel zum Zweck – zu lange hatte er Lapuente und seine Taten geduldet, zu oft Sam als Spielball für seinen eigenen Vorteil benutzt. Seine Beweggründe lagen für sie immer noch im Dunkeln. Leise flüsterte Sams Verstand unangenehme Dinge. „Du musst ihn töten, um ihn verlassen zu können.“ Das war krank, aber Sam erkannte durchaus einen Funken Wahrheit darin. Die Vorstellung, dass er sie einfach gehen lassen würde, mit dem Wissen um seine Rolle im Mord an Lapuente war unwahrscheinlich. Sie drehte sich mit dem Gesicht zur Wand und strich über die Kerben in der Oberfläche. „Showtime“
Sam stand abseits der schlotternden Frauen und versuchte, nicht ständig auf die obere Galerie zu starren. Dort stand Lapuente und nahm die letzten Einstellungen an seiner Kamera vor. Immer wieder fuhr er sich nervös mit den Fingern durch sein pomadiges Haar und wischte sich die öligen Handflächen an der Brust ab. Er wirkte so aufgeregt wie ein Bräutigam kurz vor der Hochzeitsnacht. Sam blickte kalt in die umwölkten Augen der jungen Asiatin, die inmitten der Frauengruppe stand und langsam auf ihren Beinen hin und her schwankte. Li war völlig zugedröhnt. Sie war klein und zierlich, wirkte knabenhaft. Ihr lackschwarzer Pagenkopf schimmerte am Scheitel fast bläulich. Viele der Männer geiferten in Lis Richtung. Zufrieden erkannte Sam, dass ihr Li heute die Show stahl und sie so das ...
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