Wie einem inneren Zwang folgend, sah Sam dem Mädchen ins Gesicht.
Aus Summersby hätte auch eine erstklassiger Visagist werden können. Geschickt hatte er mit Make up dem toten Gesicht Leben eingehaucht. Er hatte einen rosigen Schimmer auf den Wangen verteilt. Die Lippen glänzten in einem fast natürlichen Rosaton. Die Haut wirkte weder künstlich noch bemalt. Gleichmäßig war der Farbton, der sich über Gesicht, Hals und Arme zog. Sam vergaß fast, welche Abscheulichkeiten Summersby an den toten Kindern vornehmen musste, bis sie soweit waren, dass er sie bemalen konnte. Jeder Leichenbestatter hätte Summersby um sein Talent beneidet. Nur die ausdruckslosen Glasaugen konnten den Betrachter nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Mädchen nicht mehr lebte.
Fast ehrfürchtig ließ Sam einen Finger über die bronzefarbene Haut des Unterarms gleiten. Die Haut war kalt und unnatürlich glatt.
Sam ging in die Knie und schlang ihre Arme um das Mädchen. Sie hob den Körper an. Das Mädchen war unerwartet schwer, schwerer als ein 6-jähriges Kind von seiner Größe und seinem Körperbau. Sam's Gesicht berührte das glänzende Haar. Sie roch Haarspray. Wahrscheinlich hatte Summersby Glanzlack verwendet, um dem stumpfen, toten Haar mehr Natürlichkeit zu verleihen.
Schlurfend trug Sam ihre Last in den Raum mit der Wanne. In der Mitte des Raumes warf sie den Körper zu Boden. Sie hörte das leise „Klong“ der Metallplatte. Ein Glasauge löste sich durch den Aufprall aus der Augenhöhle. Sam sah an den Rändern elfenbeinfarbene Knochen und eine feste, rosa Masse. Sie ertrug den Anblick nicht und wandte sich wieder in Richtung Vorhang, um den nächsten Körper zu holen.
Vor dem Vorhang lag das abgesprungene Glasauge und schien Sam anklagend anzustarren. Sam kickte es schnell zur Seite und hastete in den Raum.
Einen Körper nach dem anderen trug sie vor die Wanne und schichtete sie kreuz und quer davor auf. Siebzehn Körper lagen in einem unordentlichen Haufen auf dem Boden. Jedesmal bereitete es Sam körperliche Schmerzen, wenn sie die Überreste eines jeden Kindes auf den Boden warf.
Schwer atmend hob Sam den Infusionsständer hoch. Sie schloss die Augen und drosch mit dem Ständer auf das Durcheinander von Armen, Beinen und Köpfen ein.
Sam's Füße schienen den Rasen kaum zu berühren, als sie zum Portal des Hauses zurück rannte. Sie verlangsamte ihr Tempo kaum, als sich die Steine der Kiesauffahrt schmerzhaft ...
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