... Anita habt also genug Zeit, um euch zu verdünnisieren.“ „Was ist mit dem restlichen Wachpersonal?“ „Die Hälfte wird Samstag wegen einer Magen-Darm-Verstimmung nicht zum Dienst erscheinen. Bei den verbleibenden Diensthabenden handelt es sich durchweg um unerfahrene Greenhorns. Dürfte keine größeren Probleme geben.“ Sam hatte sich aufgeregt auf die Couch gekniet. Freitag, das war schon morgen. Hibbelig wippte sie auf ihren Fersen rum. „Warum hast du mir das nicht schon früher gesagt?“ „Ha, damit du Lapuente mit einem fröhlichen Lächeln im Gesicht begegnest? Zwei Meter über dem Boden durch den Knast schwebst oder dir solange Gedanken machst, bis alles total schief geht?“ Sam schmollte, konnte aber nicht wirklich verärgert sein. Zu fantastisch war die Aussicht auf Freiheit, die zum Greifen nahe vor ihr lag. „Meine Aufzeichnungen?“ „Habe ich persönlich an ein von Anita benanntes Postfach gesendet.“ „Meine Gefängnisakte?“ „Wird einem hungrigen Virus zum Opfer fallen.“ Er strich sich mit der Hand über seinen glatten Schädel. „Haben wir einen Deal?“ Sam griff schwungvoll die gefüllten Gläser vom Tisch. „Ja, wir haben einen Deal.“ Sie stieß ihr Glas gegen seins und angelte nach dem Salzstreuer. Mit dem Glas in der einen und der Zitronenscheibe in der anderen Hand sah sie Brutus erwartungsfroh an. Er beugte sich zu ihr und fixierte ihren Blick mit seinen eisblauen Augen. Sam stutzte, die Farbe schien dunkler als sonst. Sie erinnerte sich, dass sie diesen Farbton ein einziges Mal bemerkt hatte. Als er ihr zutiefst verärgert nach ihrer Auftaktshow zu Leibe gerückt war, um die Gründe ihres Handelns herauszufinden. Hatte sie ihn jetzt auch verärgert? Brutus sonst so dunkle und rostige Stimme klang erstaunlich weich, als er seine Worte mit langsamer Bedächtigkeit sprach. „Einen Deal muss man besiegeln.“ Mit diesen Worten nahm er Sams Hand, die die Zitronenscheibe hielt und führte sie an seine Lippen. Er sah Sam unverwandt an, während er ihr das Salz von der Haut leckte. Sam sah zu, wie er den Tequila trank und in Seelenruhe an der Zitronenscheibe saugte. Ihr rauschte das Blut in den Ohren und ihr Atem ging schneller. Sie war eine gesunde Frau und ihr Körper reagierte völlig natürlich. Trotzdem schämte sie sich, dass gerade Brutus diese Gefühle in ihr wachrief. Ausgerechnet er. Aber unter den Blinden ist der Einäugige König. Sam betrachtete es rein pragmatisch. Weder einen Gefangenen, andere Gefängniswärter ...
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