... Tag brach an und mit ihm begann ganz Theben zu brodeln. Überall in den Straßen in den Villen der Reichen und natürlich auf dem Palastgelände fieberte man der Feier entgegen. Es wimmelte von in– und ausländischen Gästen, Würdenträgern und Abgesandten. Der ganze Hofstaat hatte heute in Sänften oder zu Fuß die Königin und den Horus im Nest zum Tempel von Karnak begleitet, um zu warten, bis sie vom Reinigungsritual im Allerheiligsten zurückkehrten. Das Volk stand entlang der von Sphingen bestandenen Allee um das Spektakel zu beobachten und dem künftigen Pharao und seiner göttlichen Gemahlin zuzujubeln. Der Nil quoll fast über vor lauter großen und kleinen Schiffen besetzt mit Edlen, Neugierigen und einfachem Volk. Schmuckhändler, Straßenkünstler, Imbissstände und fremdländische Besucher mischten sich unter die Menge, einige um Geschäfte zu machen, andere um ihre Neugierde zu befriedigen und einmal öfter die Pracht und die Prächtigen Kemets zu sehen. Endlich, die Re-Scheibe stieg bereits dem Zenit entgegen, wurde der Durchgang zum Amun-Tempel von den Priestern freigegeben und die Menschen strömten durch den ersten Hof und in den riesigen Krönungssaal. Bald war er gefüllt mit Hofstaat und Adligen, die aus den Provinzen angereist waren, um die Feierlichkeiten mitzuerleben. Alle anderen mussten sich mit Blicken durch die Säulen und Tore des Tempels begnügen. Das Volk drängte sich, um einen Blick auf die unermessliche Pracht zu erhaschen: die buntbemalten Säulen, den in Gold und Silber ausgeschmückten Saal, die einander in Pracht und Glamour übertrumpfenden Adligen und alles überstrahlend das königliche Geschwisterpaar. Hinter der Mauer erhoben sich die beiden mit Elektrum überzogenen Obelisken Hatschepsuts, an ihre noch bestehende Macht gemahnend. Die Getreuen hatten sich um die beiden erhöhten Throne eingefunden und erwarteten die als Götter gewandeten Priester, welche die Krönungszeremonie vornehmen würden: Thot, den ibisköpfigen Gott des Wissens, Horus den Falken, Gott des Himmels, Sachmet, die Kriegerische mit dem Löwenhaupt und Seth, den hundeköpfigen Gott des Chaos. Als die dumpfen, eintönigen Phrasen begannen, die die Götter für die Zeremonie herunterbeteten, senkte Sunu den Kopf. Wie ein unverständliches lautes Gewoge von Worten und Sätzen rauschten die Stimmen der Götter in seinen Ohren. Er stand zwischen den anderen Anhängern der Königin und merkte, dass auch diese äußerst bedrückt wirkten. Die Endgültigkeit ...
◄ zurück blättern Beurteilen Sie den Text bitte fair.
Ihre echte Einschätzung hilft dem Autor seine Texte zu verbessern.
461 Leser seit 1. Jan. 2024 für diesen Abschnitt