... erhob sich immer wieder die leise Stimme, welche die Dame Tuja verteidigte, obwohl einiges gegen sie sprach. Doch hatte nicht ihr Bruder ein Schmuckstück getragen, ganz ähnlich dem von ihm auf Hatschepsuts Dach gefundenen? Stammten nicht auch die Leopardenohrringe von Gaza? Sunu beschloß mit deutlich schlechtem Gewissen, nur die notwendigsten Tatsachen an Hatschepsut weiterzugeben, sollte sie sich vorerst ihre eigenen Gedanken machen und ihre Schlüsse daraus ziehen. Schließlich wollte Sunu ja auch keinen Verdacht aussprechen, solange er keine Beweise hatte; oder handelte er aus reinem Egoismus so? Er weigerte sich weiter darüber nachzudenken, an was es lag, dass er Tuja nicht verurteilen wollte und eilte hastig durch die Gänge des Palasts. Fast wütend fuhr er die beiden Wachen vor Hatschepsuts Gemächer an: „Wo ist die Herrin? Ist sie hier oder schon im Audienzraum?“ „Sie ist noch hier.“ Antwortete einer der Soldaten. „Was ist dir denn über die Leber gelaufen, Leutnant? Liebeskummer?“ Grinsend nickten die Wachen einander zu. Obwohl es bloß ein Witz war schoß Sunu die Röte ins Gesicht. Schweigend ging er zwischen den Wachen hindurch und klopfte ungeduldig an die Tür. Die junge Dienerin, die er auch schon gesehen hatte, als die Königin nach ihrer Massage zum Schwimmen gegangen war, öffnete die Tür und fragte ihn: „Was wünschst du, Leutnant Sunu?“ „Ich möchte die Herrin beider Länder sprechen; es ist wichtig.“ Die Dienerin schloß die Tür bis auf einen Spalt. Wenig später öffnete sie sie ganz und hieß ihn mit einer Geste eintreten. Hatschepsut saß auf einem Lederfaltstuhl vor ihrer Kommode und blickte in den großen polierten Spiegel. Sie war eben dabei ihre Augen mit Kohle zu umranden. Sunu verbeugte sich. Als er sich wieder aufrichtete trafen sich ihre Blicke in der glänzenden Fläche und fragend hob die Königin eine ihrer feinen Augenbrauen. „Nun, Leutnant Sunu, was gibt es, dass du deine Königin bei der Morgentoilette störst?“ Erst jetzt bemerkte Sunu, dass Hatschepsut ein fast durchsichtiges kurzes Nachtgewand trug und erst halb geschminkt war. Ihre Haare waren zu ein paar kleinen Zöpfchen geflochten, der Rest der glänzenden schwarzen Pracht hing noch offen über die Schultern. Die junge Dienerin stellte sich hinter ihre Herrin und fuhr fort, zu flechten und feine Perlenschnüre an den Flechten zu befestigen. Sunu atmete tief durch und verhinderte damit, dass ihm wieder einmal die Röte in die Wangen stieg. ...
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