... ließ man sie unsanft zu Boden fallen. Da sie nicht mehr gefesselt war, befreite sie sich von ihrer staubigen Umhüllung und mußte ein paar Mal blinzeln, ehe sie etwas sehen konnte. Dann wich sie sofort voller Entsetzen zurück, denn im Licht einer Gaslaterne, die auf dem Boden stand, erkannte sie den Mann aus ihren Alpträumen. Seine haßerfüllten Augen ruhten voller Triumph auf ihr. Während sie ängstlich zurückwich, versetzte er ihr einen gemeinen Schlag gegen den Kopf und als sie zusammensank, trat er sie mehrmals in die Rippen. Lena bemühte sich, die Benommenheit nicht die Oberhand gewinnen zu lassen. Sie wollte nicht ohnmächtig werden und diesem Schuft wehrlos ausgeliefert sein. Tapfer biß sie die Zähne zusammen und ertrug den Schmerz klaglos. Die Laterne wurde hochgehoben und in deren Licht konnte Lena die Umrisse einer zweiten Gestalt erkennen. Die Männer unterhielten sich und Lena, deren Arabisch sich inzwischen verbessert hatte, konnte einige Sätze und Wörter aufschnappen und sich zusammenreimen, um was es ging. Der Diener des Schaichs Abdul wies den anderen Mann an, vor Lenas Gefängnis Wache zu halten. Er selbst wollte seinem Herrn von der gelungenen Entführung berichten und bei Einbruch der Nacht zurückkommen, um ohne Zeugen, im Schutze der Dunkelheit, seine Gefangene zum Wohnsitz des Schaichs zu überführen. Zu Lenas vorübergehender Erleichterung kehrten die Männer ihr den Rücken zu und entfernten sich in Richtung der steinernen Stufen, die zum Ausgang ihres Kerkers führten. Abrupt hielt ihr Erzfeind noch einmal an, wandte sich ihr zu und warf ihr, grinsend seine Zahnlücken zeigend, eine Kerze und eine Schachtel Streichhölzer zu. Lena schnappte sich schnell die Utensilien, bevor die beiden Gestalten und mit ihnen das Licht der Laterne verschwanden. Mit zitternden Fingern versuchte sie ein Streichholz anzureißen, was ihr erst nach mehreren Versuchen gelang. Endlich konnte sie die Kerze entzünden und die totale Finsternis, die sie umgab, ein wenig erhellen. Trotz aller Ängstlichkeit und Schmerzen neugierig erhob sich Lena stöhnend, so gut es ging und begann, eine Hand auf die verletzten Rippen pressend, in der anderen die Kerze, die Wände abzuleuchten. Bald wurde ihr klar, daß sie sich in einer der Grabkammern befand, die in Ägyptens Felswänden häufig zu finden waren. Bunte, recht gut erhaltene Wandbemalungen bedeckten die Mauern und erzählten von einer uralten Zeit, von einem menschlichen Schicksal, das hier geendet ...
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