... Rasul nicht festgenommen worden war. Aber vermutlich konnte man ihn gar nicht in Verbindung mit dieser Tat bringen, da er bei Retenus Befreiungsakt ja nicht anwesend gewesen war. Lenas Aussage allein, die Aussage einer Frau, noch dazu einer ausländischen Sklavin, würde wohl nicht genügen um irgendwelche rechtlichen Schritte gegen den Diener eines so einflussreichen Mannes wie Schaich Abdul zu rechtfertigen. Die Musik setzte ein, und es blieb Lena nichts anderes übrig, als ihren Tanz zu beginnen. Die ganze Zeit über spürte sie den durchdringenden Blick Rasuls und den begehrlichen des Schaichs Abdul auf sich ruhen und war erleichtert, als sie ohne Zwischenfälle den Tanz beendet hatte und den Saal verlassen durfte. So schnell sie konnte, eilte Lena zurück in ihre Räume, wo sie Merit schon erwartete. „Hast du gewußt, daß sie da sind?“ Merit wußte sofort, wen Lena meinte und antwortete: „Ja, ich hab sie schon vorher gesehen.“ „Warum hast du mir nichts gesagt?“ fragte Lena vorwurfsvoll. „Mein Kind, was hätte dir das genutzt? Du hättest dich nur vorher schon verrückt gemacht und womöglich beim Tanz die Nerven verloren. Lena, denk doch daran, sie dürfen dir nichts tun. Nicht solange du im Hause Assiz weilst. Du stehst unter dem Schutz des Schaichs und Retenus.“ Lena senkte den Kopf und bemerkte leise: „Des letzteren bin ich mir nicht mehr so sicher.“
Der Tempel bei Nacht
Der nächste Morgen ging ereignislos vorüber, aber mittags stürmte plötzlich Merit ins Zimmer, schnappte sich Lena und zog sie ungeduldig zu der Kleidertruhe. „Du mußt dich ganz schnell schön machen! Er lädt dich zu einem Ausflug ein!“ Lena blieb stehen, störrisch wie ein Esel und fragte verwirrt: „Wer lädt mich wohin ein? Was ist denn überhaupt los?“ Begütigend wie bei einem begriffsstutzigen Kind sprach Merit auf sie ein: „Retenu, er lädt dich ein! Und zwar zu einem Ausflug nach Luxor. Näheres hat man mir nicht mitgeteilt, nur das es gleich losgeht. Also beeile dich!“ Jetzt hatte Merits Aufregung auch Lena ergriffen. Sie sagte kein Wort, aber das Leuchten ihrer Augen genügte um Merit ein vielsagendes Lächeln zu entlocken. Sie begann Kleider aus der Truhe zu kramen, während sich Lenas Gedanken überschlugen. Nach Luxor war man über 6 Stunden unterwegs. Sie konnten unmöglich heute noch nach Assuan zurückkehren. Wahrscheinlich würden sie dort übernachten müssen, so blieb ihr viel Zeit um sich womöglich doch noch mit Retenu zu verständigen – auch ...
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