... das kühle Fenster der Privatmaschine. Draußen war es Nachtschwarz und Sam betrachtete ihr undeutliches Spiegelbild. Trotz der verschwommenen Beschaffenheit ihres provisorischen Spiegels und des zarten Nebels, den ihr Atem auf das Glas zauberte, sah Sam ihre aschfahle Gesichtsfarbe und die tiefen Ringe unter ihren Augen. Sam schlang ihre Arme um die Schultern und rieb den glatten Stoff von Anitas Bluse, ihr war kalt. Die Kälte schien im Inneren ihres Körpers zu entstehen. Sie versuchte ein Lächeln, als sie den rosageblümten Stoff von Anitas Bluse betrachtete. Sie spannte über Sams Busen und die gerafften Ärmel waren viel zu kurz. Auch die beigefarbene Faltenhose reichte Sam nur bis zur Wadenmitte. Sam sah auf ihre Füße und wackelte mit den Zehen, die in bonbonpinken Ballerinas steckten. Ob man wohl wegen schlechter Kleidung nicht durch die Flughafenkontrollen kam? Miguel hatte Sams Gefängnisaufenthalt gut genutzt und ihr falsche Papiere besorgt. Offiziell hieß sie jetzt Belinda Hammersfield. Anitas Familie musste wirklich sehr wohlhabend sein. Der Privatjet gehörte ihrem Cousin, der die Maschine steuerte. Miguel saß neben ihm im Cockpit. Anita döste auf dem Sitz rechts von Sam. Die Kinder der beiden waren bei Anitas Schwester in Mexiko geblieben. Sam betrachtete wieder die undurchdringliche Dunkelheit, die lautlos am Fenster vorbeiglitt. Sie steuerten Kalifornien an. Das Feriendomizil von Anitas verstorbenen Eltern. Anita hatte mit glänzenden Augen von einem Haus mitten im Wald, abseits der Zivilisation, aber mit jedem erdenklichen Komfort, geschwärmt. Einsam, mit eigenem Weinberg, riesigen Rasenflächen und einem See, der zum Baden und Angeln einlud. Hier sollte sich Sam von den Strapazen erholen. Miguel und Anita würden nur kurz bei Sam bleiben, bis sie sich eingewöhnt hatte, um dann zurück nach Mexiko zu fliegen. In drei Wochen begannen die Schulferien und die gesamte Familie würde diese Zeit in Kalifornien verbringen. Sam kam das Ganze wie ein Traum vor. Durfte sie tatsächlich auf Normalität und Frieden hoffen, nach allem, was hinter ihr lag? Sam ließ sich vom gleichmäßigen Dröhnen der Motoren einlullen. Vielleicht eine Therapie, vielleicht eine Beichte, vielleicht ... vielleicht würde sie vergessen können. Dank Miguels monatelanger Vorbereitung, hatten sie keine größeren Schwierigkeiten bei ihrer Ankunft. Sie landeten auf einem kleinen Privatflughafen und Sams falsche Papiere hielten der oberflächlichen Überprüfung stand. ...
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