... wählerisch sein. „Wieso kommst du zu mir und bleibst nicht auf deinem Posten vor der Tür?“ wollte sie wissen. Muerte deutete mit vorgeschobenem Kinn auf Sams Tasse. Sie drehte sie um. „Leer.“ Er setzte sich neben Sams Bett, beugte sich vor und sah ihr tief in die Augen. „Weil ich von höchster Stelle den Auftrag habe, mich regelmäßig von deinen Genesungsfortschritten zu überzeugen.“ Sam drehte sich im Bett auf ihre rechte Seite und stützte den Kopf auf die Hand. „So, bist du im ersten Leben Krankenpfleger gewesen?“ Muerte senkte verschwörerisch die Stimme. „Nein, aber ich bin ein erstklassiger Frauenversteher.“ Dabei versuchte er ein ernstes Gesicht zu machen. Für einen Augenblick hing die lockere Atmosphäre fast greifbar zwischen ihnen im Raum. Der Versuch der Ernsthaftigkeit endete in schallendem Gelächter. Muerte hatte sich als erster wieder unter Kontrolle und strich Sam eine lockige Strähne aus der Stirn. Sam sah ihn irritiert an. Flirteten sie hier etwa miteinander? Muerte erhob sich und ließ Sam nachdenklich und in grüblerischer Einsamkeit zurück. In den folgenden Tagen brachte er ihr Bücher, Zigaretten, Schokolade. Lauter Aufmerksamkeiten, die im krassen Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten standen. Am Ende der zweiten Woche von Sams Aufenthalt auf der Krankenstation war zwischen ihnen ein nahezu vertrauensvolles Verhältnis entstanden. Sam fand Muerte mittlerweile sympathisch und schätzte seine trockene, reduzierte Art. Sie erfuhr, dass sein richtiger Name Brutus Ramirez war. Es dauerte nicht lange und Sam erzählte ihm in allen Einzelheiten, welche Umstände sie in dieses Gefängnis gebracht hatten. Nur die Sache mit Anita und die Fahrt mit Miguel zum Gefängnis enthielt sie ihm vor. Sie wollte zum jetzigen Zeitpunkt nicht alle Karten auf den Tisch legen. Vielleicht später, wenn sie sich ganz sicher war, Brutus vertrauen zu können. Am ersten Abend der dritten Woche betrat Rosa das Zimmer, als Sam und Brutus gerade über einer Partie Dame grübelten. Sie hielt einen Plastikspatel und einen Topf Vaseline in den Händen. „Zeit, um deine Narben zu salben.“ trällerte sie fröhlich. Brutus stand auf und nahm Rosa beide Dinge aus den Händen. Rosa sah an Brutus vorbei und zwinkerte Sam zu, bevor sie das Zimmer wieder verließ. Zögernd räumte Brutus das Spielbrett bei Seite und sah Sam fragend an. „Nur, wenn es dir nichts ausmacht.“ Sam sah vertrauensvoll zu ihm auf und öffnete die Schleife im Nacken, ...
◄ zurück blättern Beurteilen Sie den Text bitte fair.
Ihre echte Einschätzung hilft dem Autor seine Texte zu verbessern.
2782 Leser seit 1. Jan. 2024 für diesen Abschnitt