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 | ... Holzfußboden knarre, als Sylvia wie immer barfuß durch die Küche tappte. Sie konnte die Vibration der Dielen unter ihren Füßen spüren. Erschrocken blieb sie stehen und lauschte. Doch da war nichts. Nur das Ticken der Uhr aus dem Nebenraum. Die Tür war nur angelehnt. Noch vorsichtiger betrat sie den Speiseraum. Die Kommode, gleich neben der Uhr! Es war dunkel, doch inzwischen kannte sich Sylvia hier gut genug aus, um halbblind allen wesentlichen Hindernissen aus dem Weg zu gehen. Der dritte Schubkasten, rekonstruierte sie im Kopf die Situation von heute Nachmittag. Vorsichtig zerrten ihre Finger die klemmende Kiste auf und tasteten. Ihr Hertz raste. Was, wenn er nicht da war? Sie fühlte Papiere, Stifte, Papiertaschentücher, Teelichter, Klebeband, dummerweise auch Reißzwecken, eine Schere und dann hatte sie ihn in der Hand. Den Wagenschlüssel an einem zähen Lederband. Sie atmete tief durch. Das wäre geschafft. Soweit sie sich erinnern konnte, stand der Wagen noch mitten auf dem Hof. Der neue Wagen! Der Motor noch lauwarm, müsste sofort anspringen. Was brauchte sie? Das Bündel mit dem Proviant lag noch im Schuppen, in der alten Karre. Treibstoff? Ein oder zwei Kanister sollte sie mindestens einladen. Wenn sie einmal vom Hof weg war, konnte die sie nicht mehr erreichen. Dann hatte sie genügend Zeit, um nachzutanken. Die Schwierigkeit bestand darin, unbemerkt vom Hof zu kommen. Zumindest unbemerkt alles einzuladen! Wenn der Motor erst einmal lief... Die hatten keine Chance, ihr zu folgen! Sylvia schluckte. Die hatten nicht einmal eine Möglichkeit, von hier weg zu kommen. Himmel, Sylvi, du machst dir schon wieder zu viele Gedanken! Sieh lieber zu, dass du deine Utensilien ins Auto bekommst!– Konnte sie das tun? Konnte sie die drei hier wirklich so einfach zurücklassen? Was, wenn die Strecke selbst für Erfahrene zu Fuß unmöglich zu bewältigen war? Sylvi, was tust du da? Vergiss diese Schwachköpfe, verdammt noch mal. Du solltest viel lieber die Gelegenheit nutzen, bevor es zu spät ist! Sylvia nickte. Wehende Fahnen! Man konnte gewinnen, aber manchmal verlor man halt auch. So war das Leben nun mal. Und Sylvia hatte in der letzten Zeit schon oft genug verloren. Sie spuckte auf den Boden und schlich zurück zum Flur. Der Ausgang lag direkt an den Schlafräumen. Hier musste sie besonders vorsichtig sein. Wenn nur nicht überall diese knarrenden Dielenbretter wären. Durch den Türspalt pfiff ihr kühler Wind entgegen. Schnell und lautlos ...
Seite: 53 von 70 ©Anthony Tinamis |  | |
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